Motzen und fordern reicht nicht – konkrete politische Hebel und Ansätze sind entscheidend

Naviki-Interview: Heinrich Strößenreuther

Verkehrsrebell im schwarzen Anzug – so bezeich­nete ihn die ZEIT. Deutschlands wohl bekann­tester Fahrrad-Aktivist Heinrich Strößenreuther arbeitete von 2013 bis heute ehrenamtlich in seiner Agentur für clevere Städte und in dem von ihm ange­schobenen Volksentscheid Fahrrad. Wir haben Heinrich einige Fragen zu seinem Engagement gestellt und erfahren, wie sich die Bedingungen für den Radverkehr aus seiner Sicht in der jeweils eigenen Stadt verbessern lassen.

Naviki: In den letzten Jahren hast Du für den Radverkehr in Berlin ziemlich viel bewegt. In aller Kürze: Was genau ist da passiert?

Heinrich Strößenreuther: Nach meiner Flächenkonflikt- und Respektskampagne für mehr freie Radwege initiiert ich im Sommer 2015 den Volksentscheid Fahrrad in Berlin. Wir wuchsen auf ein Team von teilweise 200 Rad-Engagierten an, haben Deutschlands erstes Radverkehrsgesetz geschrieben und dafür in gerade mal drei Wochen 105.425 Unterschriften gesammelt. Dieser radpolitische Tsunami hat den Kopenhagen-artigen Ausbau der Radwege bis 2030 auf die Top-Politik-Agenda in Berlin katapultiert. Der Club der „Radentscheid-Kommunen“ ist bundesweit auf mehr als ein Dutzend Städte angewachsen, die alle nur sicher und entspannt Radfahren wollen und dies selbstbewusst von ihrer Kommunalpolitik einfordern. Im Februar 2019 erscheint dazu mein Bildband „Der Berlin-Standard“, der sich an Bürgermeister und Politikerinnen richtet. Ab sofort ist dafür ein Gutschein erhältlich.

Welche drei wichtigsten Tipps würdest Du engagierten Leuten geben, die dem Radverkehr in ihrer Stadt deutlichen Schub verleihen wollen?

Erstens, bringe für Dich ein klares, SMART-formuliertes Ziel auf den Punkt, das Du erreichen willst. Zweitens, schließe Dich anderen an, suche Dir ein Team zusammen oder mache es notfalls alleine. Drittens, einfach anfangen, Spaß dabei haben und wenn was schief geht: Hinfallen, Aufstehen, Krönchen richten, weiter machen.

Welche Fallstricke sollte man dabei vermeiden und welche wenig hilfreichen Strategien beobachtest Du?

Einfach nur motzen, fordern, bloggen und twittern reicht nicht. Vielmehr muss man den konkreten politischen Hebel und Ansatz finden. Konzentriere Dich auf wenig, aber zieh das durch und Du wirst erfolgreich sein. Es wird andere geben, die die anderen Sachen machen. Und beim Radverkehr: Sei nicht zu nett, denn letztlich musst Du Politiker dazu bewegen, Autofahrern Flächen weg zu nehmen, damit Du breite und sichere Radwege bekommst. Die Verlierer sollten nicht lauter schreien als die Gewinner applaudieren oder vorher für Bewegung sorgen.

Engagement hin oder her, was ist das Fahrrad für Dich persönlich – Prestigeobjekt, Spaßgerät oder eher nur Gebrauchsgegenstand?

Alles drei. Zunächst aber ist es das pfiffigste Verkehrsmittel für die Stadt, für mich sollte es schnell und sportiv sein und hübsch darf es auch aussehen. Das Team vom Volksentscheid Fahrrad hat mir ein blaues Canyon Commuter vor zwei Jahren zum Geburtstag geschenkt – da passt fast alles!

Über Heinrich Strößenreuther

Heinrich Strößenreuther ist ein erfahrener Manager und CEO mit langjähriger Tätigkeit im öffentlichen Verkehr und in der Managementberatung sowie in Nachhaltigkeitsprojekten in NGOs, Startups und der Politik. Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Mobilität betrachtet er als ungelöste Alltags- und Zukunftsprobleme und hat eine klare Antwort auf Herausforderungen, die damit einhergehen: Förderung der Politik des Radfahrens und der nachhaltigen Mobilität durch Festlegung von Medienagenden, Auslösen von Diskussionen und Entwickeln von Lösungen. 

 

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